Die Sache mit dem Vertrauen ist ja so eine. Vertrauen muss man sich erarbeiten, sagt man. Doch in der Politik bekommt man es von ein paar hundert Menschen auf Knopfdruck entzogen. Oder eben nicht. In Olaf Scholz’ Fall war der Knopf heute ziemlich gnadenlos. Ein Klick, 394 Stimmen dagegen, 207 dafür – und schon steht der Kanzler in den Trümmern seiner eigenen Mehrheit, die ihm jahrelang als „stabile Dreierkoalition“ verkauft wurde. Wie es um die Stabilität stand, zeigt die aktuelle Bilanz: Einstürzende Neubauten. Und Scholz? Der reagiert gewohnt hanseatisch: mit der Miene eines Mannes, der gerade gelernt hat, dass sein Auto nicht mehr anspringt.
Doch wie konnte es so weit kommen? Es war nicht eine einzelne Entscheidung, die die Koalition gesprengt hat, sondern die Summe an „Ähh…“-Momenten, die sich wie ein Kleber auf die Schuhe der Ampel-Regierung gelegt haben. Vorneweg Olaf Scholz, der Mann mit der politischen Ausdruckskraft eines Faxgerätes. Über Monate hat die Koalition gestritten, gerungen, gekämpft – ja, auch gegähnt – über den richtigen Kurs, während das Land von einer Krise in die nächste stolperte: Wirtschaftsflaute, Haushaltslöcher, Klimapolitik als Kleinkrieg. Wer braucht da noch eine Opposition, wenn man mit den eigenen Partnern so herrlich uneinig ist?
Und Scholz? Er dachte sich wohl: Wenn’s brennt, mach ich einfach einen Vertrauensfrage-Sprint. Eine alte Kanzler-Tradition, die eher an russisches Roulette erinnert als an Politik der Zuversicht. Doch diesmal kein doppelter Boden: Die Mehrheit sagt „Njet“, und die Konsequenz ist klar. Neuwahlen. Kein großes Drama, so suggeriert es Scholz mit seinem auswendig gelernten „Das Wort gehört den Bürgerinnen und Bürgern“. Übersetzt heißt das: Mir fällt auch nichts mehr ein, macht’s halt selbst.
Der Kanzler ohne Kompass
Ironischerweise passt diese Demission hervorragend zur Regierungszeit von Olaf Scholz. Man hatte ja von Anfang an das Gefühl, dass der Mann ein Kanzler ohne Kompass ist, jemand, der bei jeder Richtungsangabe „Ja“ murmelt und weiter nickt, während andere mit den Fahnen wedeln. Ob es nun die grünen Visionen von Wirtschaftsminister Habeck oder die FDP-Träume von Christian Lindners Steuerwüsten waren – am Ende wirkte Scholz wie der nette Nachbar, der höflich alles anhört, um es anschließend gekonnt zu ignorieren.
Eine politische Führungspersönlichkeit braucht klare Kanten, zugespitzte Positionen, auch Mut zu Fehlern. Was Scholz geboten hat, war eher das Prinzip: „Machen Sie sich keine Sorgen, ich schlafe das aus.“ Und währenddessen? Bröckelte das Vertrauen der Menschen.
Neuwahlen: Ein Tanz auf dünnem Eis
Nun also Neuwahlen, eine Chance für den Neustart? Vielleicht. Oder vielleicht auch nur ein erneutes Déjà-vu mit anderen Gesichtern. Die CDU/CSU wittert Morgenluft, Friedrich Merz putzt schon seine rhetorische Silberkanne und wird dem Volk nun erzählen, dass alles wieder gut wird, sobald die Union das Steuerrad übernimmt. Die AfD wiederum wird noch ein paar weitere Wähler einfangen, die lieber die Probleme benennen als sie zu lösen. Und die SPD? Wird wahrscheinlich versuchen, Scholz zu verkaufen wie ein halb gebackenes Croissant beim Bäcker: nicht hübsch, aber irgendwie essbar.
Ein letztes Lächeln des Kanzlers
Am Ende bleibt die Frage, ob Olaf Scholz heute Abend wirklich erleichtert ist, wie er behauptet. Vielleicht sitzt er ja da, mit seinen „guten Freunden“ – wie er es formuliert – und hebt ein Glas Rotwein. Auf das Ende seiner Kanzlerschaft? Nein. Scholz ist kein Typ für große Dramen. Er wird es wohl eher als Betriebsunfall abheften und hoffen, dass ihn die Geschichte gnädig beurteilt. Ein Kanzler, der viel gemacht hat, aber wenig bewegte. Ein Kanzler, der regierte, ohne zu führen.
Das Vertrauen ist weg. Jetzt liegt es an uns Bürgerinnen und Bürgern, das nächste Kapitel zu schreiben. Bleibt nur zu hoffen, dass wir diesmal nicht wieder ein Faxgerät wählen.
Epilog: Wenn Olaf Scholz in den kommenden Wochen ein Plakat mit seinem Gesicht sieht, wird er vermutlich denken: „Na bitte, der Drucker funktioniert wenigstens noch.“