In der Stille eines Morgens ist das Geheimnis des Menschen.

Im Morgengrauen sollte der Reisende ankommen, wenn er denn komme.

In der Nacht sollte er gehen, wenn es dann Abschied hieße.

In der Stille sollte er sein suchen, wenn er sich finden möge.

Das erste Licht in einem Land, das du zuvor nicht kanntest. Es ist Morgengrauen. Kinder schlafen. Dein Reiseziel, bis hier hin, dir unbekannt. Jeder unbekannte Mensch, den du triffst, gleicht einem neuen Land. Um neue Orte zu erkunden, musst Du nicht immer in die Ferne reisen. Nicht immer an das Meer, nicht immer in die Berge, aber doch in die Augen des Fremden, solltest Du reisen. Dort ist das Meer und der Berg eines Jeden. Die Augen sind die Fenster und die Sehenswürdigkeit eines jeden Fremden. Nicht der Name oder die Herkunft sollten ausschlaggebend sein, doch aber seine Augen. Bevor das Wort deinen Mund verlässt, solltest du erst deine Blicke in Worte fassen. Wenn dein Weg dich doch zu unbekannten Orten führt, dann versuche, diesen mit dem Herzen zu betrachten.

Es solle dir und mir bewusst sein,

das Wahre sieht der Mensch mit dem Auge kaum.

Deshalb, lass deinem Herzen und meinem mehr Freiraum.

Atme die Luft tief ein und aus. Lass´ deine Lungen etwas frische Luft schnappen. Nicht sinnlos sollte dich deine Reise durch die Luft jagen, auch sie sollte Ziele und Sinne haben. Also nicht das Reiseziel, sondern das Ziel meiner Reise, solltest du dann meinen. Ich treffe Ilknur (das erste Licht wörtlich übersetzt) in Kirgisien. Ein Land mit der Grenze zu China. Unfassbar denke ich mir, das kleine Mädchen aus dem kleinen Sauerland an der chinesischen Grenze! Wirklich, nicht nur das Sauerland, sondern die Welt ist klein. Nach insgesamt acht Stunden Flug sind wir angekommen!

Eine unbekannte Stimme flüstert meinem Herzen, ich werde dort erwartet. Nichts kann dich länger hier halten, die Wolken, die Wege und der Flug wartet. Du wirst erwartet. Tatsächlich am Issyk Kul werden wir begrüßt. Eine Einladung, die allerschönste, die ich bislang bekam und der ich nachgegangen bin, sollte meine Schritte dort hin, an die chinesische Grenze führen, nach Kirgisistan. Wir wollten Schüler und Lehrer der türkischen Schulen besuchen. Ich wusste am Anfang nicht warum, aber ich nahm die Einladung höflichst und dankbar an.

Und wenn du deinem Traum nicht glaubst,

er aber wahr werden soll, dann warte auf den Tag,

an dem dein Traum dich von Deinem Schlaf trennt,

in dem er wahr wird.

Ilknur begrüßt uns im Garten der Schule. Schlicht und einfach ist sie. Als ich sie umarme merke ich, habe das Gefühl, ich kenne sie. Eine Lehrerin ist Ilknur im wahrsten Sinne des Wortes und das erste Licht für mich. Sie hat in einer der besten und prominentesten Unis der Türkei studiert, erwähnt sie nebenbei. Ich frage mich, was macht sie hier in Kirgisistan, was war der Grund für sie, eines der schönsten Länder, wie die Türkei zu verlassen und auszuwandern. In ein Land, das nicht unbedingt als ein sicheres Land gilt und das zu unserem Reisezeitpunkt auch noch kriegerische Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Minderheiten erlitt. In ein Land dessen Infrastruktur nicht ausgebaut und entwickelt ist. Ich versuche während der Gespräche, die wir führen, ihre Blicke zu fangen. Irgendwo in diesen blauen Augen suche ich eine Antwort auf meine tausend über tausend Fragen zu finden. Ich erwarte eine Erklärung von ihr, vergeblich. Sie führt uns durch die Schule. Zusammen machen wir eine Bootsfahrt auf der Issyk Kul. Viel Zeit und Ruhe, um zu erzählen, vor allem aber um zu fühlen und zu schweigen.

Oft sind Worte der Menschen zu trocken.

Die Trauer, kennt niemand besser, als es die Tränen tun.

Tränen, Trauer und Betroffenheit sind enge und sich treue Freunde.

Wir haben uns viel zu erzählen, fällt uns auf. Während sie spricht, möchte ich schweigen. Denn all das, was ich als Reisende mitbrachte, verlor irgendwie ihren Sinn. Meine Bücher, meine schönsten Schuhe, meine Sonnenbrille… soviel Kleinkram in meinem Koffer denke ich mir. Alle Werte, verloren ihren Wert. Ich hörte zu. Ich fragte sie, wie es mit den Einkaufsmöglichkeiten hier sei. Nüchtern schilderte sie mir, dass die nächste Möglichkeit einzukaufen, in Tokmok sei, ungefähr zwei Stunden weiter entfernt von der Schule, aber unsere Kantine für die Schüler wird wöchentlich beliefert, damit unsere Schüler nichts vermissen müssen.

Damit andere nichts vermissen müssen, musst du manchmal vermissen.

Vermissen und Verzichten.

Und das nicht gezwungen, sondern freiwillig, aus reiner Vernunft, das ist die Sehnsucht, die manche Philosophen in Theorien zusammenfassten.

Sei nicht Theorie, sondern die Praxis, damit sich große Denker, als bestätigt wissen.

Ich notiere, dass ich kein Individuum mehr bin, so wie ich immer behaupte und es mir wünsche. Nicht frei und nicht ungebunden. Die Konsumgesellschaft, dessen Teil ich geworden bin, hat mich zu einer reinen egoistischen Person gemacht. Sie hat mich eingeschlossen in eine materielle Welt. Wöchentliche Einkaufszeromonien, immer aktualisierte Einkauf -und Bedarflisten…haben mich zu einem Instrument gemacht. Das Instrument der Konsumgesellschaft, das das Stützbein der Wirtschaft ist. Ich bin ein Instrument. Und Ilknur das Individuum.

Als es Abschied nehmen heißt, kann ich meine Tränen nicht weiter verschieben und überspielen. Das erste Licht, die wörtliche Übersetzung des Namen meiner liebgewordenen Freundin Ilknur, übergibt mir ein Umschlag und sagt:

„Ich wünsche mir, dass wir uns wiedersehen.“

Ich antworte: „Dort, wo ein Abschied ist, ist auch ein Wiedersehen!“

Im Bus, der uns nach Bishkek fährt, fahren meine Gedanken in eine andere Welt. Ich öffne den Umschlag, habe die große Ehre. Ich lese und zitiere:

„Ich möchte nicht, dass unsere Trennung, dich mit Deinen Fragen alleine lässt.

Was ich hier suchte, wusste ich anfangs selber nicht.

Oft war ich verzweifelt und hilflos. Meinte, dass mein Herz mich verließ, aber dem war es nie so.

Alles, was am Anfang war, ist heute noch und was heute ist, wird morgen noch. Wichtig ist die Absicht.

Ich war hier, weil mein Herz mir sagte: dort wirst Du erwartet.

Ich diene hier der Menschheit. Ich versuche hier etwas in die Praxis umzusetzen, dessen Theorie alle Menschen auswendig wissen; zu teilen.

Ich teile das, was mir einst zuteil geworden ist; Bildung.

Ich teile das, was ich meine zu besitzen; Wissen.

Und vor allem aber teile ich meine Liebe.

Jeder Mensch trägt eine Sehnsucht in sich. Ungestillt und nicht definierbar.

Hier aber habe ich Sehnsüchte getroffen, die meine hat weit übertroffen. Glücklich und zufrieden voller Zuversicht, arbeite ich daran, über meine Grenzen zu gehen und den Frieden zu realisieren. Ich bin eine freiwillige Mitarbeiterin für den Frieden. Alle, die den Frieden und die Verständigung vermissen, sind meine Weggefährten.

Eine lokale Arbeit wirst du meinen, aber die Welt entwickelt sich immer weiter zu einem kleinen Ort. Deshalb, meine Liebe, arbeite nicht nur für Dich, sondern schaffe Möglichkeiten für andere, damit die Bewohner dieses Dorfes, nämlich der Welt, den Frieden als realisiert empfinden und sehen.

Klage nicht über die Grenzen, versuch´ sie zu überwinden, über die Grenzen einen Weg zu finden, um an deine Grenzen zu kommen! Dort wirst Du die Sehnsucht der Menschen und deine als gestillt wissen… Wenn Du magst, kannst du mich Grenzengänger nennen.“

Vervielfachen solltest Du Deine Liebe und Dein Herz.

Multiplizieren mit einer unendlichen Zahl.

Fliegen sollte jeder Vogel und geteilt werden jedes Stück Brot.

Darfst nie vergessen, ob Deutsch, Türkisch, Hindu oder eben Kirgise,

unter dem selben Himmel leben wir und sitzen im selben Boot.

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Als die Sprachlosigkeit die Herrschaft über mich verlor, ging ich die Freundschaft mit der Sprache ein. Da hat es angefangen. Im schönen Sauerland, begann ich und meine zwei Söhne das Leben. Meine Eltern hatten sich das Sauerland zu ihrer neuen Heimat gemacht. Hier im Sauerland ringe ich mit dem Leben, einem Studium und zwei kleinen Banditen; mit freundlicher Unterstützung von meinem Mann und sieben Geschwistern… Trage ein kleines Mädchen in mir, welches ihr Herz an den Frieden und an die Verständigung unter den Menschen ausgeliehen hat. Alles was gesagt werden soll und will, soll ihren Ursprung im Herzen haben!

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