Heute in den frühen Morgenstunden war der Koalitionsvertrag perfekt. Deutschland wird wieder von beiden Volksparteien gemeinsam regiert werden.
Es wäre zwar übertrieben, zu sagen, die Tatsache, dass sich die Spitzen von CDU/CSU und SPD nun endgültig auf einen Koalitionsvertrag einigen konnten, wäre ein Grund zur Freude „wie Weihnachten und Ostern zusammen“. Aber dass die Einigung einen Tag vor dem realen Zusammenfallen des amerikanischen Erntedankfestes „Thanksgiving“ und des jüdischen Lichterfestes „Chanukka“ zustande gekommen ist, ist zumindest aus Sicht des Autors dieser Zeilen schon einmal Grund zum Feiern.
Das soll jetzt keine Relativierung meines Plädoyers für ein Mehrheitswahlrecht aus der Zeit vor der Bundestagswahl sein. Ich würde ein solches nach wie vor für die beste Lösung halten. Aber sie ist derzeit und bis auf Weiteres nicht realisierbar, deshalb muss man mit dem vorlieb nehmen, was machbar ist – und von allen zur Verfügung stehenden Optionen war die Große Koalition die beste.
Es hat in Deutschland erst zwei Mal eine Große Koalition gegeben. 1966 bis 1969 war dies bereits der Fall – wobei die Einführung des Mehrheitswahlrechts eine der Absichten dahinter war. Am Ende überlegte es sich die SPD dann doch anders. Und 2005, nachdem ein politisch angeschlagener Gerhard Schröder die Flucht nach vorne versucht hatte, dabei aber auf halbem Wege stecken blieb.
Große Koalition: Bei Parteien unbeliebt, im Volk sehr geschätzt
In beiden Fällen machte die Große Koalition keine schlechte Arbeit und konnte das Land auch durch schwierige Situationen stabil halten. Wahrscheinlich wäre es auch sinnvoll gewesen, 2009 die Regierungskoalition fortzusetzen, statt die knappe und eher zufällig zustande gekommene schwarz-gelbe Mehrheit, die bereits nach wenigen Monaten gegen den Bundesrat regieren musste, in eine eigene Regierungsmehrheit umzumünzen.
Die Folge war eine Koalition, in welcher die Union eine völlig überforderte FDP vier Jahre lang nach Belieben vorführte und gleichzeitig auf die Grünen – die 8{29198b972399c81ed5054510dfa220ef2abbd08e78f3050c7d7070df681d4040}-Partei mit einer gefühlten medialen Zwei-Drittel-Mehrheit hinter sich – starrte wie ein Kaninchen auf die Schlange. Im Grunde bestand also spätestens seit der Panik nach der Erdbebenkatastrophe in Japan 2011 eine faktische schwarz-grüne Koalition mit der FDP als Statist. Eine quasireligiöse, ökoradikale Kleinpartei konnte beispielsweise mit der „Energiewende“ dem Rest der Bevölkerung ihren Willen aufzwingen.
Die Große Koalition bringt nun immerhin eine Regierung, die vor den Grünen in Ehrfurcht erstarrt. Zwar wurde die Energiewende nicht zurückgenommen, dank couragierter SPD-Größen wie Hannelore Kraft, die als Ministerpräsidentin von NRW auch die Sorgen und Nöte der kleinen Leute kennt, wurde sie aber wieder einigermaßen den Gesetzen ökonomischer Vernunft unterworfen und entideologisiert.
Auch die Optionspflicht ist vom Tisch. Das ist zwar noch keine vollwertige Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft auch für türkische Einwanderer, aber es ist doch unterm Strich ein Signal an die kommenden Generationen, dass Deutschland von einer Integrationspolitik abrückt, die im Grunde Assimilation meint.
Politik für den Normalbürger statt für lautstarke Aktivistengruppen
Begrüßenswert ist auch ein Schuldenstopp ab 2015 – wobei abzuwarten sein wird, ob sich die Regierung auch am Ende so strikt an diese Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag halten wird oder ob auf Grund irgendwelcher Umstände, die als „geänderte Verhältnisse“ betrachtet werden, nachträgliche Modifikationen stattfinden werden.
Der Mindestlohn, der nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in Teilen der Gewerkschaften umstritten war, weil er die Tarifhoheit auszuhebeln droht, ist zweifellos eine fragwürdige Entscheidung, war aber bereits im Wahlkampf angekündigt worden und wäre auf Grund der Mehrheitsverhältnisse in jedem Fall gekommen. Auch die Solidarrente dürfte langfristig gesehen unter Finanzierungsvorbehalt stehen, weshalb sie eher als symbolische Ankündigung zu verstehen sein dürfte. An der Notwendigkeit der zusätzlichen Vorsorge, der längeren Lebensarbeitszeit und einer massiven Werbung um Einwanderer inklusive Willkommenskultur wird der jetzige Schritt nichts ändern.
Insgesamt lässt die Einigung auf eine Große Koalition jedoch auf politische Stabilität, Entscheidungen mit Augenmaß und einen Grad an Etatismus hoffen, der zumindest die schlimmsten ideologisch begründeten Exzesse vermissen lässt. Keine Parteien mit einem Programm für 10{29198b972399c81ed5054510dfa220ef2abbd08e78f3050c7d7070df681d4040} werden 100{29198b972399c81ed5054510dfa220ef2abbd08e78f3050c7d7070df681d4040} ihre Vorstellungen aufdrücken können. Allein schon das ist eine begrüßenswerte Entwicklung.
Meinetwegen könnte die Große Koalition dann auch gerne nach 2017 fortgeführt werden.