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Es gäbe so viele besorgniserregende Dinge, über die ich derzeit schreiben könnte. So viele Dinge, die uns regelrecht erstarren lassen vor Unverständnis und Wut. Oft sind wir konfrontiert mit dem Gedanken, noch nicht einmal wirklich etwas gegen all diese Dinge unternehmen zu können, und dadurch gelähmt.

So auch im Falle der NSA.

Unser großer Bruder vom anderen Ende des Atlantiks hat es offenkundig für notwendig gehalten, nicht nur Massen an Bundesbürgern, sondern sogar unsere Bundeskanzlerin abzuhören. Selbst nach Bekanntwerden der Ausspähaffäre soll zu allem Überfluss Medienberichten zufolge auch der in diesem Fall ermittelnde Bundestagsausschuss ausgespäht worden sein.

Und es lässt uns vergleichsmäßig eher kalt.

Dabei gibt es doch kaum ein größeres Gut als das Vertrauen zwischen guten Freunden. Die USA, dem kann niemand ernsthaft wiedersprechen, gehören sowohl wirtschaftlich, als auch politisch, als auch in Bezug auf die gemeinsamen Werte zu unseren stärksten und wichtigsten Partnern in der Welt. Und doch hat in den letzten Monaten dieses Vertrauensverhältnis einen großen Schaden erlitten.

Schade drum!

Nun halten es viele für naiv, sich gegenüber dem jüngsten Abhörskandal empört zu zeigen. Ich halte entschlossen dagegen! Denn wie naiv kann es sein, an die tief in uns sitzenden und unser Sein ausmachenden Werte zu glauben? Wie naiv ist es, eben die Freiheiten, die uns verfassungsrechtlich zugesprochen werden, in Anspruch nehmen zu wollen? Wie naiv ist es, sich für die Souveränität unserer eigenen Regierung auszusprechen? Der Kampf für diese hohen Werte wird oft ins Lächerliche gezogen, sein Sinn negiert. „Spione spionieren halt“, heißt es. Und manchmal sei es eben auch notwendig, Freunde auszuspähen. Außerdem soll US-Präsident Obama, der selbst nach den vielen Enttäuschungen während seiner Amtszeit immer noch eine hohe Popularität in Deutschland genießt, von alledem nichts gewusst haben. „Eine Lüge, die oft genug erzählt wird, wird irgendwann zur Wahrheit“: Wenn wir unseren Medien den Freiraum lassen, sich an eben diesen einfachen Grundsatz zu halten – und im digitalen Zeitalter gibt es auch noch allerhand Möglichkeiten dazu – dann scheint es gar so, als hätten wir kaum etwas aus unserer eigenen Geschichte gelernt. Oder, um es in den Worten Bertolt Brechts auszudrücken: „Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Wer die Wahrheit kennt und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“

Kritiker für naiv zu erklären ist auch eine Lösung, aber nicht die richtige.

Und lohnt es sich überhaupt noch, Worte über die Reaktionen unserer höchsten Amtsträger zu verlieren? Im Grunde ja nicht wirklich. Denn auch sie, so scheint es, sind gelähmt vor Unfähigkeit und schaffen es über Aussagen der Empörung nicht hinaus. Es gibt einen NSA-Untersuchungsausschuss, was schon mal ein Schritt in die richtige Richtung ist. Doch wie viel wären die Ergebnisse eines solchen Ausschusses noch wert, wenn sich bewahrheiten sollte, dass wiederum viele vertrauliche Unterlagen darüber an eben die gleichen amerikanischen Dienste weitergegeben wurden, gegen die hier ermittelt wird? Was kann unsere Bundeskanzlerin oder unser Bundespräsident dann noch tun? Dabei ist es gar nicht mal so lange her, dass beide geschworen hatten, ihre „Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen“ zu wollen. Oder sind auch diese Phrasen nichts mehr als nur noch bedeutungslose Floskeln, die halt symbolisch zu verstehen sind und aus Gewohnheit benutzt werden – ähnlich dem Eid des Hippokrates, dessen Bedeutung immer mehr der Wirtschaftlichkeit unseres Gesundheitssystems weichen muss?

Es ist zum Haare Raufen!

Und es sind noch nicht einmal nur unsere eigenen Wertevorstellungen, die hier mit Füßen getreten werden. Während Kritik an der NSA und jegliches Hinterfragen von Sinn und Rechtmäßigkeit der Aktivitäten US-amerikanischer Institutionen im In- und Ausland mit Antiamerikanismus gleichgesetzt werden, wird vergessen, dass es im Kern doch bedeutende amerikanistische Werte sind, die hier verletzt werden. In jeder Diskussion um die Machenschaften der amerikanischen Dienste und des Militärs werden zur Legitimation der 11. September und der internationale Kampf gegen den Terrorismus genannt. Dabei sollten wir niemals vergessen: „Wer wesentliche Freiheit aufgeben kann, um eine vorübergehende geringfügige Sicherheit zu erhalten, verdient weder Freiheit noch Sicherheit.“ Dieser Satz stammt weder von einem Deutschen, noch von einem Europäer. „They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety” ist eines der bekanntesten Zitate Benjamin Franklins.

Unser großer Bruder scheint zu kränkeln.

Noch nicht einmal an das, was Amerika zu dem macht, was es ist, können Regierungen in Washington sich noch halten. Von klein auf werden sogar uns in Deutschland die Werte des „American Way of Life“ eingetrichtert: Freiheit, Individualismus, das Streben nach Glück und das Vertrauen in die Demokratie. Wie demokratisch ist das alles noch? Wie viel Freiheit wird dem Individuum noch gewährt? Wer hat noch das Recht, nach Glück zu streben?

Nennt mich naiv.

Wenn es naiv ist, an Prinzipien zu glauben, dann nennt mich naiv. Es gibt ja wohl genug Menschen, die für sonstige Interessen ihre eigenen Prinzipien über Bord werfen. Wenn in Eurer Welt der Verlust des Glaubens an Freiheit und an Individualismus und an das Streben nach Glück die einzige Alternative dazu ist, naiv zu sein, dann bin und bleibe ich in Euren Augen lieber naiv.

Ich nenne es „prinzipientreu“.

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