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Der Begriff „Einstellung“ findet vom Arbeitsmarkt bis in die Medizin und vom Sport bis hin zur Technik eine große Anwendung. Unter diesem Wort versteht man im psychologischen Sinne auch die Art und Weise, wie man etwas beurteilt. Vorurteile, Sympathie, Antipathie, ja sogar der Selbstwert sind Beispiele für die Einstellung eines Menschen gegenüber seinen Mitmenschen und den Ereignissen des Lebens.

Wie unsere Verhalten und Handlungen werden auch unsere Einstellungen von unserer Denkweise beeinflusst. Es sind die Ergebnisse unserer Erfahrungen und Kenntnisse, die wir uns im gesellschaftlichen Leben aneignen.

In einer heterogenen Gesellschaft wie unserer, in der Menschen verschiedener Nationen aus unterschiedlichen Kulturkreisen zusammenleben, werden die Einstellungen gegenüber den Ereignissen auch unterschiedlich ausfallen. Während wir alle beispielsweise einen Bombenanschlag auf unschuldige Menschen schärfstens kritisieren und somit eine eindeutige Einstellung gegenüber den Gräueltaten auf unserer Erde zeigen, gehen diese nach einem Fußballspiel oder nach politischen Diskussionen weit auseinander. Unser Standpunkt, von dem aus wir die Geschehnisse betrachten, gibt Aufschluss darüber, wie wir eingestellt sind und was unsere Denkweise beeinflusst.

Meinungsverschiedenheiten gehören also zu den Ergebnissen der Einstellungen anders denkender und anders fühlender Menschen, die unterschiedliche Erwartungen zeigen.

Während ein Buchliebhaber nach einem gelesenen Bestseller sein Vergnügen zeigt, kritisiert ein anderer die Stellen, die dem Autor beim Schreiben nicht gut gelungen sind und findet kein Gefallen an ihm. Ja, er liest möglicherweise sogar das Buch, nur um seine Kritik loszuwerden.

Auch ist es unmöglich, historische Erkenntnisse gewinnen zu wollen, indem man einen historischen Roman zu Ende liest. Der Romanautor wird in jedem Roman als Verfasser seinen freien Spielraum beim Schreiben nutzen, um einige Realitäten umzuschreiben, damit der Unterhaltungseffekt nicht zu kurz kommt. Der Leser kann mit so einem Roman keinen Geschichtsunterricht abdecken, das könnte er nur mit einem Sachbuch erreichen. Bei den Filmen mit historischem Inhalt sieht die Sache ähnlich aus. Was glauben Sie, wie viele Zuschauer in der Türkei auf einmal alles über den Sultan Süleyman, den Prächtigen und seine Frau Roxelane zu wissen glaubten, nur weil sie die eine berühmte Serie auf einem türkischen Sender verfolgt haben. Sind es wirklich Tatsachen, auf deren Grundlage wir unsere Einstellungen und Betrachtungsweise formen können?

Falsche Wahrnehmungen und vorurteilsbehaftete Einstellungen sind oft gemacht
Mit einer kritisierenden Einstellung, der Zauberer benutze ein dünnes Seil während seiner Schau, bei dem er in der Luft schwebt, findet man kein Vergnügen an der Vorstellung. Selbstverständlich wird er tricksen und der Zuschauer muss sich darauf einstellen, sonst wäre David Copperfield der neue Jesus, wenn er nicht nach seiner Trickkiste greifen würde. Also auf die Einstellung kommt es an. Wir müssen uns fragen, womit darf ich was erwarten und wie  die Unterhaltung einfach unter den Teppich kehren.

Auch in der Musik gibt es merkwürdige Beispiele für die übertriebenen Erwartungen, die wir zu unserer Einstellung gemacht haben. Die osmanische Militärkapelle beispielsweise spielt in ihren Vorführungen Märsche, die bei den türkischen Zuschauern nationale Emotionen weckt. Doch viele der Texte, zu denen die Märsche komponiert wurden, stammen aus der Zeit der türkischen Republik, also ein Jahrhundert nach der offiziellen Einstellung der Janitscharenmusik Anfang des 19. Jahrhunderts. Wenn wir dieses Detail kritisierend ein Konzert dieser Militärkapelle verfolgen würden, würden wir ebenfalls kein Gefallen daran haben.

Im psychologischen Sinne heißt Einstellung die Art und Weise, wie wir etwas beurteilen. Gehen Sie die Entwicklungen hierzulande und in unserer Welt gedanklich wie in einem Filmstreifen durch und beurteilen Sie mit diesen Ereignissen auch Ihre Art und Weise, wie Sie diese beurteilen. Sie werden feststellen, dass Ihre Denkweise manchmal von unnötigen Vorurteilen und falschen Wahrnehmungen, die man Ihnen zum Teil aufzwingt, beeinflusst ist, aus deren Krallen Sie sich vielleicht nicht so einfach befreien können. Auf die Einstellung und auf eine objektivere Denk- und Betrachtungsweise kommt es nämlich an. Viel Spaß.

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Geboren am 18.07.1973 in Kassel ist Sait Gül dort zur Schule gegangen. Sein Studium absolvierte er im Bereich Bauingenieurwesen. In seiner Jugend entwickelte sich Gül im Gebiet der Religionswissenschaften und Geschichte. Er war jahrelang freier Journalist in Tageszeitungen und brachte selbst eine regionale Zeitschrift in Kassel heraus. Gül ist verheiratet und hat vier Kinder. Er ist ein leidenschaftlicher Leser von historischen Romanen.

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